Mittwoch, 29. Juni 2011

Interview mit Kim Kulig

28.06.2011 17:30 Frauen-WM 2011

Kim Kulig: "Bin ich hier richtig?"

Kim Kulig (l.): "Alles ganz gelassen"  © Bongarts/GettyImages
Kim Kulig (l.): "Alles ganz gelassen"

Wie es ist, einen Titel im eigenen Land zu gewinnen, hat Kim Kulig schon im vergangenen Jahr erfahren: Platz eins bei der U 20-WM, Finalsieg gegen Nigeria in Bielefeld.

Jetzt ist wieder WM, und wieder geht es gegen Nigeria, am Donnerstag (ab 20.45 Uhr, live in der ARD) in Frankfurt. Im DFB.de-Interview mit Redakteur Gereon Tönnihsen spricht die 21-Jährige über das Auftaktspiel, den nächsten Gegner und das öffentliche Interesse am Frauenfußball.

DFB.de: Frau Kulig, Sie wirken immer sehr entspannt. Sind Sie tatsächlich so ruhig und ausgeglichen?

Kim Kulig: Geht so. Ich versuche eigentlich immer, alles ganz gelassen anzugehen. Aber vor den Spielen bin ich schon echt aufgeregt. Dann höre ich immer Musik, egal was, Hauptsache Ablenkung.

DFB.de: Sie spielen im zentralen defensiven Mittelfeld. Spürt man da eine besondere Verantwortung?

Kulig: Schon, dieser Verantwortung bin ich mir auch durchaus bewusst. Ich weiß, dass die Sechs eine Schlüsselposition ist. Simone Laudehr und ich sind da gefordert, das Spiel mitzubestimmen. Mittlerweile spiele ich diese Position sehr gerne. Ich kann mir im Moment nichts Besseres für mich vorstellen.

DFB.de: Warum?

Kulig: Auf der Sechs hat man die Möglichkeit, das Heft in die Hand zu nehmen. In der Zentrale muss man alles machen. Man kann nach vorne mitgehen, torgefährlich sein, aber man muss auch in der Defensive einiges machen, kann sich nie ausruhen. Mir gefällt das.

DFB.de: Als Sie am Tag vor dem Eröffnungsspiel ins Olympiastadion kamen, konnten Sie die Ausmaße des Stadions kaum fassen, waren fast erschlagen vor Ehrfurcht. Wie sieht es mit dem Stadion in Frankfurt aus?

Kulig: Das kenne ich ja schon. 2009 haben wir da vor 45.000 Zuschauern gegen Brasilien gespielt, das war beeindruckend. Ich mag das Stadion sehr gerne, für mich ist das eines der schönsten überhaupt. Deshalb freut es mich sehr, dass wir da spielen. Es ist zwar kleiner als das Berliner Olympiastadion, aber dafür kompakter. Leiser wird es darin bestimmt nicht sein.

DFB.de: Sie spielen ja ab der kommenden Saison beim 1. FFC Frankfurt. Haben Sie die Stadt schon mal näher erkundet?

Kulig: Ein bisschen. Eine Wohnung habe ich schon etwas länger, aber ich war erst vier-, fünfmal da, weil durch die lange Vorbereitung halt auch die Zeit knapp war. Die Innenstadt kenne ich schon, auch am Main bin ich schon entlang spaziert. Und vielleicht ergibt sich ja, während wir hier sind, etwas Zeit, mir die Stadt noch ein bisschen anzuschauen.

DFB.de: Das WM-Auftaktspiel wurde gewonnen, 2:1 gegen Kanada. Was nehmen Sie mit aus dieser Begegnung?

Kulig: Zunächst mal, dass wir drei Punkte haben. Wir wissen auch, dass wir schwer ins Spiel gekommen sind. Dass nicht alles so geklappt hat, wie wir uns das vorgestellt haben. Gegen Nigeria müssen wir alles geben, uns konzentrieren - und dann bin ich auch überzeugt, dass es dann anders laufen wird, vor allem souveräner. Wir wissen, was gegen Kanada unsere Fehler waren, und jetzt versuchen wir, es gegen Nigeria besser zu machen. Und natürlich auch wieder einen Sieg einzufahren.

DFB.de: Haben Sie diese großartige Stimmung, wie sie in Berlin herrschte, schon verinnerlicht?

Kulig: Das schon. Natürlich überlegt man sich vorher, wie es sein könnte. Aber dass es so war, das konnte man sicher nicht erwarten. Diese Kulisse war echt die Krönung, das fing schon beim Warmmachen an, als die ganzen Leute uns zugejubelt haben. Fast 75.000 Menschen im Stadion - da fragt man sich schon: Bin ich hier richtig? Oder sind wir noch bei der WM 2006? Da hat man ja im Fernsehen gesehen, was da alles los war, wie begeistert die Menschen die deutsche Mannschaft unterstützt haben.

DFB.de: Wie schafft man es angesichts dieser Kulisse, sich zu konzentrieren?

Kulig: Wenn ich auf dem Platz stehe, habe ich das Drumherum ausgeschaltet. Ich bekomme dann auch gar nicht mehr viel davon mit. Klar, ich höre dann auch die Fans, aber ich bin trotzdem voll bei der Sache.

DFB.de: Sie sind im vergangenen Jahr U 20-Weltmeisterin geworden, auch im eigenen Land. War das so eine Art Vorbereitung auf dieses Turnier?

Kulig: Auf jeden Fall, da haben wir gemerkt, dass die Fans hinter uns stehen. Das hat uns damals echt geholfen, es war ein Vorgeschmack auf diese WM, aber nur ein kleiner. Jetzt hat alles doch noch mal eine größere Dimension. Die Zuschauer beflügeln einen, und es bleibt immer mal wieder ein bisschen Zeit, das auch zu genießen. Auch wenn unmittelbar vor Spielen natürlich die Anspannung überwiegt.

DFB.de: Denken Sie viel nach über die kommenden oder zurückliegenden Spiele?

Kulig: Ich bin generell ein Mensch, der sich viele Gedanken macht. Ich gehe dann manchmal die Spiele im Kopf noch mal durch: was ich falsch gemacht habe, was richtig. Gerade wenn das Spiel nicht so gut war, denke ich ziemlich lange nach. Das kann schon manchmal nerven. Aber meistens bekomme ich das ganz gut in den Griff. Es darf einen ja auch nicht behindern.

DFB.de: Waren Sie mit sich nach dem Kanada-Spiel zufrieden?

Kulig: Ich finde, dass wir allgemein nicht so richtig zufrieden sein können mit dem, was wir geleistet haben. Gerade am Anfang war es schwer. In der zweiten Halbzeit konnte man einige gute Ansätze erkennen. Es war ein ganz enges Spiel, wir hatten uns das besser vorgestellt. Wir haben nicht das gezeigt, was wir zeigen wollen und können.

DFB.de: Im vergangenen Herbst haben Sie mit dem deutschen Team mit 8:0 gegen Nigeria gewonnen. Ist das heute noch ein Maßstab?

DFB.de: Ganz sicher nicht. Damals kamen mehrere Sachen zusammen: Es war kalt, vielleicht zu kalt für die Afrikanerinnen. Sie haben richtig gefroren. Außerdem kamen sie gerade vom Afrika-Cup und waren entsprechend müde. Eine WM ist etwas ganz anderes. Alle Mannschaften sind bestens vorbereitet und topfit, und einen leichten Gegner gibt es bei einer WM ja ohnehin so gut wie nie. Daher wird es sicher nicht einfach für uns. Nigeria wird uns alles abverlangen.

Kulig: "Turnier ist wie ein langer Weg"  © Bongarts/GettyImages
Kulig: "Turnier ist wie ein langer Weg"

DFB.de: Wie schwierig ist es, nicht schon zu weit nach vorne zu schauen, vielleicht gar bis zum Finale?

Kulig: Das fällt nicht schwer. Natürlich hat man ein Ziel vor Augen, aber ein Turnier ist wie ein langer Weg, ein Schritt kommt nach dem anderen. Auch im Training bereitet man sich logischerweise immer erst mal auf den nächsten Gegner vor. Alles andere wäre auch fahrlässig. Die meisten von uns haben ja auch schon Turniererfahrung und wissen, wie es läuft.

DFB.de: Wie kommen Sie mit der großen öffentlichen Aufmerksamkeit zurecht?

Kulig: Ich denke, wir können froh sein, dass das Interesse jetzt so groß ist. Da wollten wir doch all die Jahre hin. Ich persönlich freue mich darüber, auch wenn es natürlich eine Umstellung ist. Aber ich sehe das ganz gelassen, eigentlich ist es doch auch eine schöne Sache. Man merkt, dass der Frauenfußball mittlerweile einen ganz anderen Stellenwert hat als noch vor einigen Jahren, was man ja auch an den Einschaltquoten sieht. Das ist den Erfolgen der Nationalmannschaft in den vergangenen Jahren zu verdanken.

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